Bewerbung Landesgartenschau 2027
Handlungsempfehlung der
AG "Zukunft der Feuerwehr in
der Stadt Schotten"
Städtebaulicher Fachbeitrag für die Stadt Schotten mit Stadtteilen |
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Städtebaulicher Fachbeitrag im Rahmen des IKEK-Verfahrens Schotten
1.) Einführung in die Mustersprache (Empfehlungen für die Gestaltung)
2.) Die Dörfer im regionalen Zusammenhang
3.) Naturraum, Dorf und Siedlung
3a-Dorfränder,Dorfeingänge 3b-Dorfmitte 3c-Bachläufe, Gräben 3d-Straßen, Wege und Pfade
4.) Siedlung, Haus und Hof
4a-Hofformen 4b-Freiflächen, Einfriedungen 4c-Nebenhäuser, Scheunen 4d-Erschließung, Vorbauten
5.) Haus, Form und Material
5a Grundkubatur 5b-Dach und Dachaufbauten 5c-Sockel 5d-Fassaden 5e-Fenster und Türen
6.) Innenraumgestaltung
6a-Fußböden 6b-Wände, Decken 6c-Einbauten 6d-Energie
7.) Abriss, Anbau und Neubauten
7a-bestehende Neubauten im Fördergebiet 7b-Abriss und Teilabbruch 7c-An- und Neubauten 7d- gewerbliche und landwirtschaftliche Bauten
8.) Fazit
9.) Abgrenzung Fördergebiet mit Begründung |
1. Eine Mustersprache für Schotten
Seit den 60er Jahren werden die überlieferten Strukturen der Dörfer durch untypische Bauweisen, unproportionierte Hausformen, fremde Materialien immer mehr aufgebrochen. Die Folge ist, dass die gewachsenen baulichen Übereinstimmungen der dörflichen Gebäude –ein Kernpunkt der ländlichen Baukultur - nach und nach verloren gehen. Die industrielle Herstellung der Bauteile und das „Überspringen“ der handwerklichen Sichtbarkeit des Gemachten lässt landauf landab die Dörfer immer gleichförmiger werden. In den Dörfern Schottens hat sich auf der Ebene der Siedlung - das regionaltypische Miteinander der Gebäude größtenteils erhalten, da es meist eine einheitliche Häuserstruktur gibt, die noch erlebbar ist. In den Dörfern gibt es unterschiedliche Grade des vergangenen Modernisierungsschubs. Dies hängt z.B. davon ab, wie viel „moderne“ Handwerksbetriebe in den 60/70er Jahren im Dorf existiert haben, oder ob das Dorf besonders viele Pendler besitzt, die neue Gestaltungsideen einbrachten.
Auf der Ebene der Häuser sind auf Grund dessen mannigfaltige Veränderungen und Materialmischungen festzustellen, die die Gesichter der Gebäude teilweise erheblich verändert haben. Im Prozess der Dorfentwicklung können diese zurückgenommen oder im Sinne der Dorfgestalt weiterentwickelt werden. Das betrifft auch Abrisse im vernünftigen Rahmen und angepasste Neubauten im Dorf. Im Rahmen der Privatberatung kann jeder Hausbesitzer innerhalb der festgelegten Fördergrenzen die Beratung in Anspruch nehmen. Sie bezieht sich auf alle geplanten Veränderungen der Gebäude und gilt für jedes abgeschlossene Bauteil (Wohnhaus, Scheune, Nebenhaus). Um eine für das Dorf sinnvolle und harmonische Weiterentwicklung zu gewährleisten, dient die folgende Mustersprache, die nicht als Gestaltsatzung angelegt ist, sondern eher als Handlungsrahmen. Durch die Beratung kann es zu individuellen Lösungen kommen: Inhaltlich ist sie als Netzstruktur aufgebaut und zieht sich vom Allgemeinen zum Besonderen. Es wird mit übergeordneten dörferbaulichen Strukturen begonnen, geht über die Beziehung der einzelnen Gebäude und Höfe untereinander zum Haus selbst – und zu seinen Details. Jedes Kapitel hat in der Regel einen vierteiligen Aufbau:
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2. Die Dörfer im regionalen Zusammenhang
Die meisten Schötter Dörfer liegen in den Tälern des südwestlichen Vogelsbergabfalls, die vorwiegende Siedlungsrichtung geht von Südwest nach Nordost und ist gut erkennbar. Die vier Dörfer Michelbach, Breungeshain, Götzen und Sichenhausen liegen auf der Höhe und haben sich eher wie Bergdörfer, also entlang von geschützten Plätzen am Hang entwickelt. Gleichwohl spielen auch hier Bäche oder Gräben in der weiteren Dorfgemarkung eine Rolle. Baugestalterisch haben die Dörfer Rainrod und Eichelsachsen schon Strukturen der Wetterauer Dörfer, während alle anderen der typischen Vogelsberger Hauslandschaften zugerechnet werden können. In der Wetterauer Region stehen die Höfe mit ihren kleinen Wohnhäusern giebelständig an der Straße und bilden mit der quer liegenden Scheune und dem Nachbargebäude einen schmalen Wirtschaftshof. Während in vielen Gegenden der Wetterau die Höfe geschlossen sind, nimmt die Öffnung der Höfe Richtung Vogelsberg zu.
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Aus Ehemann, Karl „Das Bauernhaus in der Wetterau und im SW-Vogelsberg“ Frankfurt 1953 |
In den „Vogelsbergdörfern“ überwiegt das historische Einhaus, das in vielen Richtungen verändert wurde: Anbau einer quer dazu stehenden Scheune oder Bau einer Parallelscheune. An den Häusern selbst wurden Fachwerkteile durch Massivbauten ersetzt, Fenster sind größer geworden, Dachlandschaften haben sich verändert.
Hintergrund der unterschiedlichen Hauslandschaften ist vor allem die unterschiedliche frühere Bewirtschaftung. Herrschte in den Talregionen (aber auch auf dem Ostplateau des Vogelsberges) eher die Ackerwirtschaft vor, ist es in den steileren Tälern des Südwestabhangs eher die Viehwirtschaft mit mehr oder weniger einheitlichen Hausstrukturen.
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Zitat und Plan aus Karl Ehemann „Das Bauernhaus in der Wetterau und im SW-Vogelsberg“, Frankfurt 1953: |
Bereits in vorgeschichtlicher Zeit lassen sich in unserem Gebiet zwei Tendenzen nebeneinander feststellen: einmal die Gehöfttendenz, die bestrebt ist, für alle Zwecke ein besonderes Gebäude zu errichten, und zweitens eine Einhaustendenz, die bestrebt ist, alle oder wenigstens mehrere Wirtschaftsräume in einem Bau zusammenzufassen. Dies führt in germanischer Zeit zur Ausbildung zweier, nebeneinander vorkommenden Formen des stets unregelmäßigen germanischen Haufendorfes: erstens dem Gehöft mit dem Kleinhaus als Wohnhaus, das keine Wirtschaftsräume enthält, und zweitens dem Gehöft mit einem Wohnraum und Stall in einem Bau vereintem Langhaus. |
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3. Naturraum, Dorf und Siedlung
3 a Dorfränder, Dorfeingänge
Dorfränder
Einige Schötter Dörfer haben sich – durch die Nähe zum Rhein-Main-Gebiet – dynamischer als im östlichen oder nördlichen Vogelsberges entwickelt. Große Neubaugebiete finden wir in den idyllisch liegenden Dörfern Wingershausen, Eschenrod (Waidmühelnweg), Betzenrod, Eichelsachsen, Einartshausen, Michelbach und Rainrod – kleinere, mehr den vorhandenen Dorfstrukturen angepasste Neubaugebiete in den restlichen Dörfern. |
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Dorfrand in Eschenrod |
In der Regel haben die Schötter Dörfer an zwei Seiten noch gut ausgebildete Dorfränder, sodass das frühere Ordnungsprinzip an den Bächen und in geschützten Mulden zu bauen noch gut zu erkennen ist – am besten mit der Abstufung: Wohnhaus giebelständig oder traufständig an der Straße, dahinter: Nebengebäude, rückseitiger Hof, Grabgarten, Hühnerpferch, Obstwiese, Ackerland
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Ein oder zwei Seiten aber sind – entsprechend der Topographie kann das jede Richtung sein – durch ein anschließendes Neubaugebiet aufgeweicht. In den Dörfern Betzenrod, Wingershausen, Eschenod (Weidmühlenweg) und Einartshausen erscheinen die Neubaugebiete wie eigene Dörfer, die nur über einen schmalen Brückenkopf mit dem Altdorf verbunden sind.
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Dorfeingänge
„Dorfeingänge sind die Haustüren der Dörfer“. So wie bei den Haustüren der Zwischenraum zwischen Innen und Außen ausgestaltet wird – durch Ausschmückung, Vordach, Richtungswechsel oder Stufen – braucht auch das Dorf eine markante Schwelle, die besonders den Autofahrer zum Geschwindigkeitswechsel animiert. In den Schötter Dörfern finden wir oft noch besondere Bauwerke beim Eintauchen in das Altdorf.
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Dorfeingang Breungeshain |
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3 b Dorfmitte |
In den landwirtschaftlich geprägten Dörfern haben sich keine geschichtlichen Dorfmitten ausgebildet. Die Treffen fanden im Kirchhof, am Brunnen oder beim Backhaus statt. Erst durch das Aufkommen der Dorfgemeinschaftshäuser nach 1955, sowie den Umbau der leerstehenden Schulen nach 1970 ergaben sich in den Freibereichen platzartige Flächen, die ungestaltet waren. Im Rahmen der vergangenen Dorferneuerungen wurden diese aufgewertet. Auffällig sind in den größeren Schötter Dörfern (Eichelsachsen, Rainrod, Eschenrod) und in Götzen platzartige Erweiterungen am Bachlauf. |
Platzartiger Straßenverlauf in Götzen |
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3 c Bachläufe, Gräben |
Die überwiegende Siedlungsrichtung der Dörfer zieht sich entlang der Bäche von Südwesten nach Nordosten. Eichelsachsen, Wingershausen und Einartshausen folgen den Bachläufen von Südost nach Nordwest, Rudingshain von Süden nach Norden, Michelbach von Westen nach Osten. Während die Siedlungsformen von Betzenrod, Breungeshain, Burkhards, Eichelsachsen, Eschenrod, Götzen, Wingershausen, Rainrod und Rudingshain einen unmittelbaren Bezug zu den Bachläufen haben, gibt es in den Berg-Dörfer Einartshausen, Sichenhausen, Michelbach, Busenborn und Kaulstoß ein etwas anderes Bild. Hier liegt die Siedlung zwar flussparallel, aber mit Abstand darüber. |
Basaltsteinbrücke in Kaulstoß |
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3 d Straßen, Wege, Pfade |
Die Hauptstraßen der Schötter Dörfer orientieren sich überwiegend an der Flussrichtung der Bäche. Selbst bei den kleineren Dörfern aber wurde um die Hauptstraße herum ein Netz von weiteren Straßen angelegt, die die Siedlung mehr oder weniger stark verdichten. Je weiter man Richtung Wetterau kommt, scheint diese Verdichtung planmäßig zu sein (Rainrod, Eichelsachsen), je weiter man in den Vogelsberg kommt unregelmäßiger. War in der Dorfmitte wenig Platz wurde – wie in Betzenrod noch gut erkennbar – in die Höhe gebaut und jede Ecke ausgenutzt. Besonders stark durch Querwege zerklüftet sind die Dörfer Michelbach und Rudingshain, in Einartshausen entstand im Laufe der Zeit eine ovale Dorfinsel mit Kirche. |
Dorfmitte Einartshausen Dorfmitte Michelbach |
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